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Spiel des Lernens
Wo Computer und sogar das Internet im Elternhaus fehlen, werden medienpädagogische Angebote im Jugendclub um die Ecke umso wertvoller. Kinder und Jugendliche verstehen dort nicht nur die digitale Welt besser – sie entdecken auch eigene Talente und erleben die Freude am Mitgestalten.
Der Käfig – das ist heute ein mit zwei Sitzbänken abgetrennter acht Quadratmeter großer Bereich. Darin dürfen die 18 jungen Besucher die vier ferngesteuerten Stunt Cars lenken und so einem Ball hinterherjagen – wie in „Rocket League“. Die Kinder werden das beliebte Computerspiel an diesem Nachmittag gleich im Erdgeschoss des Kinder- und Jugendzentrums in Quadrath-Ichendorf real nachspielen. Mit dabei ist die zehnjährige Charleen, die in ihrer Freizeit sehr viel „zockt“, wie sie sagt. Stunt Cars kennt sie jedoch nicht. Doch sie möchte es unbedingt ausprobieren.
Noch steht sie mit den anderen im Halbkreis um den Medienpädagogen Harald Walz herum. Er steuert eines der Spielautos Richtung Wand, gibt Vollgas und ruft der Menge zu: „So könnt Ihr das Auto flippen.“ Im nächsten Moment fährt es gegen die Wand und wühlt sich dort mit durchdrehenden Reifen und aufheulendem Motor so lange hoch, bis die Schwerkraft das Gefährt zu einem Salto rückwärts zwingt. Als es wieder auf seinen vier dicken Geländereifen landet, jubelt die Gruppe.
Lernen, spielen, Spaß haben
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Die Stiftung hilft insbesondere Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche aus einem benachteiligendem Umfeld erreichen. Das Geld fließt zum Beispiel in Technik für Maker-Angebote, aber auch in medienpädagogische Schulungen des Personals. Wichtig ist, dass alles einen digitalen Bezug hat.
Im Zentrum in Quadrath-Ichendorf macht Harald Walz den jungen Besucherinnen und Besuchern mit Stunt Cars heute Unterschiede zwischen digitaler und analoger Welt verständlich. Nachdem alle im Raum gelernt haben, wie sie die wendigen Autos fernsteuern, stellt der Medienpädagoge Fragen: „Was ist wichtig im Spiel Rocket League?“ Arme schnellen noch oben. Selbst die Schüchternen melden sich und rufen ihre Ideen in den Raum, wie ein zehnjähriger Junge: „Es geht um Zeit und wer die meisten Tore schießt.“ Ein Achtjähriger neben ihm ergänzt: „Dass die Spieler sich nicht streiten.“ Nun möchte der Pädagoge wissen, ob genau das im Computerspiel wie beim Fußball durch einen Schiedsrichter geregelt wird. Ihm schallt ein vielstimmiges „Nein“ entgegen. „Im Spiel kann man machen, was man will“, ruft ein weiterer Junge dazwischen. „Gibt es wirklich keine Regel? Ist nicht vielleicht der Käfig – also das eingegrenzte Spielfeld – eine Regel?“, bohrt der Pädagoge weiter. Nun bleibt es ruhig und alle denken nach.
Harald Walz vermittelt den Kindern wichtige Zukunftskompetenzen wie Kreativität, Kollaboration und Kommunikation: „Es ist ein Gruppenprozess, wenn wir das analoge Spiel gestalten, und sie müssen Argumente vorbringen, warum sie denken, dass es beispielsweise keinen Schiedsrichter in unserem Spiel mit den Stunt Cars braucht“, so Harald Walz. Die Jugendlichen reflektierten außerdem ihr eigenes mediales Konsumverhalten, meint der Pädagoge: „Was spricht mich in dem Spiel an und welche Werte aus dem Spiel übernehme ich in mein Leben?“ Hierauf Antworten zu finden, schärfe nicht nur den Blick auf das eigene Verhalten, sondern ebenso einen kritischen Blick auf Medien.
» Es gibt kaum Berührungsängste und Vorbehalte, hier mitzumachen. «
Pädagoge Florian Mortsiefer
Im Spiel fühlt sich Lernen für die Kinder und Jugendlichen leicht an. Das beobachtet auch Medienpädagoge Florian Mortsiefer. Er hat bis vor einer Stunde ein Stockwerk höher den Medienworkshop „Zocken und Zeichnen“ geleitet. Neun Mädchen und sechs Jungen gestalteten während des dreitägigen Ferienangebots mit seiner Hilfe ein eigenes Computerspiel. Es ist ein Kooperationsprojekt mit dem Kölner Verein „jfc Medienzentrum“, das ebenfalls durch Ich kann was! möglich geworden ist.
Die Kinder zeichneten in diesem Workshop nicht nur die Spielfiguren selbst, sie entwickelten auch die Geschichte eigenständig, gestalteten die Spiellandschaft, nahmen Klänge und Hintergrundmusik auf und führten mit der einfachen Programmiersprache Scratch alles zusammen. „Obwohl dieser Kurs auch logisches Denken schult und ins Programmieren einführt, gibt es bei den Kindern kaum Berührungsängste oder Vorbehalte, hier mitzumachen“, sagt Florian Mortsiefer. Das liegt aus seiner Sicht daran, dass beides nicht im Mittelpunkt steht, es passiert eher beiläufig.
Charleen zog es im Workshop nicht in die Gruppe, die vorrangig programmieren wollte, sondern in die, die die Geschichte des Spiels entwickelte: Welche Figuren soll es geben und was sollen diese Figuren tun? Sich das mit anderen Kindern zu überlegen, fand Charleen sehr gut: „Weil ich das noch nie vorher gemacht habe.“ Sie probiert gerne Neues aus und mag kniffelige Aufgaben. So auch beim Wettkampf mit den Stunt Cars. Zunächst wühlt sich das von ihr gesteuerte Auto vor der Wand fest und will partout nicht flippen. Doch dann hat Charleen den Bogen mit der Fernbedienung raus und der Salto gelingt. Das macht ihr Mut. Sie rast mit Vollgas den Autos ihrer Mitspielerinnen hinterher, um ihnen den Ball doch noch abzujagen.
Eindrücke von den Workshops
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Fotos und Video: Jens Nieth
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