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GestaltBar
Von Robotik über App-Entwicklung bis hin zu 3-D-Druck: Bei der GestaltBar dreht sich alles um digitale Technologien. Hauptschulen und andere Bildungseinrichtungen, deren Schülerschaft vornehmlich eine Berufsausbildung anstrebt, bieten mit diesen Kursen einen praxisnahen Einstieg in zukunftsträchtige Themen an – als Wahlpflichtfach oder als AG. Dabei arbeiten sie mit Akteuren aus der Jugendhilfe und anderen Partnern zusammen. Die Stadtteilschule Hamburg-Mümmelmannsberg hat sich für ihr Projekt zum Beispiel den Pädagogen einer Jugendeinrichtung sowie einen Digitalexperten von der Universität ins Boot geholt. Im Kurs bauten die Jugendlichen 3-D-Drucker auf, lernten eine Software zur Gestaltung von Modellen kennen – und produzierten mithilfe dieser Werkzeuge schließlich ein selbst entworfenes Schachspiel.
Ort
Hamburg
Teilnehmer
Schülerinnen und Schüler im Neigungskurs der Klassen 8 und 9
Lernbegleiter
- Lehrkräfte (Stadtteilschule Mümmelmannsberg)
- Tobias Renk, Fachexperte Digitales (Technische Universität Hamburg)
- Lars Omland, Pädagoge (Jugendetage Mümmelmannsberg)
Lerninhalte
- Digitale Technologien (3-D-Modellierung, 3-D-Druck und Co.)
- Probleme lösen
- Kreativität (eigene Druckideen entwickeln)
- Teamgeist (zusammenarbeiten, Absprachen treffen)
Weitere Informationen
www.telekom-stiftung.de/gestaltbar„Mit der GestaltBar wollen wir erreichen, dass die Jugendlichen die Gelegenheit bekommen, in einem offenen Lernraum ihre Talente zu entdecken.“
Benjamin Wockenfuß, Projektleiter Telekom-Stiftung
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unterschiedliche 3-D-Druckertypen bauten die Jugendlichen selbstständig auf.
„Skepsis wich Begeisterung“
Tobias Renk, Digitalexperte der Technischen Universität Hamburg, hat im Projekt gelernt, Angebote niedrigschwelliger anzulegen.
Wie führt man Hauptschüler an digitale Technologien wie den 3-D-Druck heran? Wir haben mit Tobias Renk von der Technischen Universität Hamburg über seine Erfahrungen mit der GestaltBar gesprochen. Und darüber, was es nützt, wenn unterschiedliche Institutionen in der Bildung zusammenarbeiten.
Corona hat deutlich gemacht: Viele Schulen hinken bei der Digitalisierung hinterher. Wie können außerschulische Partner hier unterstützen, Herr Renk?
Digitale Technologien sind an Universitäten schon lange Alltag. Dieses Know-how können wir weitergeben – zum Beispiel durch Schulungen für Lehrkräfte. Das heißt aber nicht, dass Schulen digitale Bildung an Partner von außen delegieren sollten. Kooperationen dürfen nicht als Entschuldigung dafür herhalten, grundlegende Dinge wie Computer nicht anzuschaffen.
Sondern?
Ich denke, dass eine Unterstützung vor allem dort Sinn ergibt, wo es über das hinausgeht, was Grundausstattung sein sollte. Einen Lasercutter oder 3-D-Drucker anzuschaffen, lohnt sich für viele Schulen nicht. Hier liegen die Vorteile von Universitäten oder auch anderen außerschulischen Lernorten wie Fab-Labs – und Projekten wie der GestaltBar.
Warum haben Sie den Kurs in der Jugendetage veranstaltet und nicht im Fab Lab der Uni?
Die Universität ist gerade für Hauptschüler weit weg. Anders als Gymnasialschüler, die vielleicht schon ans Studieren denken, haben sie oft Hemmungen vor diesem akademischen Ort. Die Jugendetage und die Leute dort kennen sie dagegen. Da sind sie in ihrem Revier. Das bietet die Chance, einen niedrigschwelligen Einstieg in Themen zu schaffen, die die Jugendlichen bisher nicht auf dem Schirm hatten. Oder für zu kompliziert hielten.
Hat der Kurs diese Bedenken abgebaut?
Tatsächlich waren viele Schülerinnen und Schüler zu Beginn verschlossen, haben sich etwa nicht allein an die 3-D-Drucker getraut. Doch im Lauf der Zeit habe ich gemerkt, wie diese Skepsis überwunden wurde und der Begeisterung wich. Dass wir keine Noten vergeben haben, war dafür sicher zuträglich.
Inwiefern?
Das hat den Druck herausgenommen. Ohne das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen und sich am Ende in einer Prüfung beweisen zu müssen, lernen die jungen Leute ungezwungener. Sie merken: Hier sagt mir keiner, was ich als Nächstes tun muss, sondern ich kann einfach mal machen. Ich denke, viele haben dadurch eine innere Motivation entwickelt – und richtig Spaß an der Sache entdeckt.
Glauben Sie, dass Sie so auch Berührungsängste vor hochschulischen Angeboten nehmen konnten?
Inwiefern die Skepsis vor der Hochschule als Bildungsort abgenommen hat, kann ich schwer beurteilen. Aber die Angst vor dem Fachlichen konnten wir auf jeden Fall nehmen. Wir haben Inhalte von Elektrotechnik über Mathematik bis hin zu Konstruktion gestreift – und dafür bei vielen Interesse geweckt.
Woran machen Sie das fest?
Ich weiß zum Beispiel von einer Schülerin, die ein Praktikum in einer Firma gemacht hat, die sich mit der Konstruktion von Anlagen beschäftigt. Erst durch den 3-D-Druckkurs ist sie darauf gekommen, sich in diesem Bereich umzusehen. Das ist ein schöner Erfolg.
„Projekte wie die GestaltBar sind von hohem Mehrwert für die offene Kinder- und Jugendarbeit. Vielfältige Angebote in Jugendeinrichtungen geben den jungen Leuten die Möglichkeit, diese nicht nur als einen Ort zu nutzen, an dem sie Freunde treffen. Sondern auch als Ort, um sich auszuprobieren, neue Dinge zu lernen und ihre Fähigkeiten auszuweiten. Zudem bietet die Teilnahme durch den wöchentlichen Termin eine weitere, feste Struktur im Alltag. Grundsätzlich sind Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen für uns sehr wichtig. Denn der Austausch erweitert die rein pädagogische Arbeit und schafft eine professionelle Verknüpfung mit anderen Bereichen des sozialen Lebens. Davon können die Jugendlichen nur profitieren.“
Maleen Burzeya,
Jugendetage MümmelmannsbergWas nehmen die Jugendlichen außer neuem Interesse für Digitales und Technik mit?
Die GestaltBar lebt vom Learning by Doing. Außerdem arbeiten die Teilnehmenden in Teams zusammen. In der GestaltBar aber erfahren sie, wie es ist, über eine längere Zeit gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Das fördert Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Organisationstalent. Zudem hat der Kurs, wie gesagt, die Angst vor Unbekanntem genommen. Hoffentlich können die Schülerinnen und Schüler das künftig auf andere Situationen übertragen: offen für Neues zu sein und sich etwas zuzutrauen.
Wie wichtig war der Betreuer der Jugendetage für den Erfolg?
Sehr. Zum einen, weil die Jugendlichen ihm vertrauen. Der Betreuer hat aber nicht nur einen pädagogischen Part übernommen, sondern mir auch hilfreiche Anregungen gegeben. Er hatte keine Vorkenntnisse im 3-D-Druck und hat mir zum Beispiel gezeigt, dass ich manches niedrigschwelliger angehen muss.
Und welche Rolle spielte die Schule?
Eher eine organisatorische. Das lag zum einen an der personellen Situation, aber auch daran, dass das Projekt damals noch im Aufbau war. Für die Zukunft wünsche ich mir eine stärkere inhaltliche Einbindung seitens der Schule. Zum Beispiel könnten Lehrkräfte im Unterricht Parallelen ziehen zu dem, was wir machen. Das würde den jungen Leuten weiteren Mehrwert bringen. In anderen GestaltBars funktioniert das bereits.
Haben Sie das Gefühl, dass der Wille zur Kooperation bei Schulen und anderen Lernorten zunimmt?
Unsere Universität ist im MINT-Forum aktiv, wo sich Akteure der MINT-Bildung aus Hamburg vernetzen. Da habe ich tatsächlich den Eindruck, dass das Thema Zusammenarbeit einen immer höheren Stellenwert bekommt. Beispiele wie die GestaltBar zeigen ja auch, wie sinnvoll es ist, die einzelnen Bildungsinseln, die es ja bereits gibt, zu vernetzen. Und zwar nicht nur aus inhaltlicher Sicht. Viele Angebote werden so für bestimmte Zielgruppen erst zugänglich.
Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Förderungen?
Eine große, nicht nur aus finanziellen Gründen. Institutionen wie die Telekom-Stiftung geben mit ihren Projekten neue Impulse. Erst dadurch kommt es oft zu fruchtbaren Kooperationen.
„Der GestaltBar-Kurs, der an unserer Schule für die Acht- und Neuntklässler in Zusammenarbeit mit der Jugendetage angeboten wurde, war bei den Jugendlichen sehr beliebt. Die meisten Teilnehmenden der ersten Stunde blieben über die Zeit dabei und wurden so zu Experten in einem Zukunftsthema, das ihnen in ihrem normalen Alltag und in der Schule vermutlich nicht oder nur am Rand begegnet wäre. Uns ist es wichtig, dass unser Ganztagsangebot Lernarrangements bereithält, in denen individuelle Interessen und Stärken entdeckt und ausgebaut sowie möglichst viele Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen gemacht werden können. Diese Ziele wurden mehr als erreicht – die GestaltBar war eine große Bereicherung für unsere Schule und unser Ganztagsangebot.“
Christina Wagner,
Ganztagskoordination Stadtteilschule Mümmelmannsberg© 2022 Deutsche Telekom Stiftung